Angela Merkel by SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG
Autor:SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG [SPIEGEL E-Books]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG
veröffentlicht: 2015-02-26T00:00:00+00:00
SPIEGEL Wahlsonderheft 2009
Sieg gegen Gespenster
Angela Merkels Strategie ist aufgegangen. Mit ihrem präsidialen Wahlkampf hat sie eine schwarz-gelbe Koalition möglich gemacht. Ihre Partei zahlt dafür einen hohen Preis: Sie hat die Macht, aber sie weiß nicht mehr, wofür. Von Ralf Neukirch
Auf einmal ist alles unendlich weit weg, der Stress der zahllosen Auftritte, die Kritik der eigenen Leute, die Selbstzweifel der vorigen Woche. Angela Merkel steht im Aufzug des Konrad-Adenauer-Hauses neben ihrer Büroleiterin Beate Baumann und ihrer langjährigen Vertrauten Sabine Christiansen, aus ihrem Gesicht strahlt das mädchenhafte Lächeln, das man schon lange nicht mehr gesehen hat. Sie hat vergessen, was ihre Wahlkampfberater ihr eingetrichtert hatten: Dass sie mit Daumen und Zeigefinger vor ihrem Bauch ein Herz formen soll, weil das ihre Haltung verbessert.
Die Kanzlerin steht im Kreis ihrer engsten Vertrauten, sie lässt einfach die Arme baumeln und freut sich unbändig. Für einen kurzen Augenblick zeigt sie ihre Gemütsverfassung, ihr Glück. Dann merkt sie, dass sie beobachtet wird, und nimmt wieder die Pose der Regierungschefin ein. Es soll nur niemand denken, sie triumphiere jetzt.
Dabei ist dieser Abend ein großer Erfolg für sie. Es stimmt, sie hat das zweitschlechteste Ergebnis eingefahren, das die Union je auf Bundesebene bekommen hat. Sie hat das schwache Ergebnis der letzten Wahl noch einmal unterboten. Aber das ist für sie zweitrangig. Sie hat die Kanzlerschaft behauptet, sie hat eine schwarz-gelbe Mehrheit zustande gebracht und das Wichtigste: Sie hat die Gespenster verjagt, die sie seit der vergangenen Bundestagswahl quälen.
Damals vor vier Jahren hat sie im Konrad-Adenauer-Haus gestanden, mit geröteten Augen, nur mühsam die Fassung bewahrend. Sie hatte den sicher geglaubten Wahlsieg verspielt. Einige Minuten lang dachte sie, selbst der Traum, als erste Frau in das Kanzleramt einzuziehen, sei geplatzt. Die SPD lag in einer Umfrage kurze Zeit vor der CDU. Das wäre Merkels politisches Ende gewesen.
Sie hat sich dann doch gerettet, in eine Große Koalition, und sie hat sich geschworen, dass der nächste Wahlabend anders verlaufen würde. Jedem Regierungschef geht es um seine Wiederwahl, aber kein Kanzler hat von Beginn seiner Amtszeit an so konsequent auf diesen Tag hingearbeitet. Die Partei, die Regierung, die eigene Person - alles wurde auf das große Ziel ausgerichtet.
Es ging ihr dabei nicht nur darum, das desaströse Wahlergebnis vergessen zu machen. Sie wollte endlich ankommen in ihrer eigenen Partei. Die CDU hat sie immer wieder spüren lassen, dass eine ostdeutsche Protestantin nicht zur Familie gehört, dass sie sich hätte hinten anstellen müssen, wie es der frühere Fraktionschef Friedrich Merz einmal formuliert hat.
Die Große Koalition hat die Vorbehalte gegen sie noch bestärkt. Es reicht nicht, dass sie Kanzlerin geworden ist. Für Merkel gelten in der Union andere Maßstäbe. Die Partei wird sie erst vorbehaltlos aufnehmen, wenn sie ein Bündnis mit der FDP ermöglicht hat.
Diese Voraussetzung hat Merkel nun erfüllt. Natürlich werden wieder viele in der Partei murren, dass Stammwähler verlorengegangen seien, dass Merkel die FDP stark gemacht habe, aber das kann ihr egal sein. Sie hat aus der Großen Koalition heraus eine schwarzgelbe Mehrheit erreicht und die SPD beinahe marginalisiert. Die Unionsverluste gehen vor allem auf das Konto der CSU.
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